Store Klingbjerg 6

Sticheleien, Mord und die letzte Hinrichtung in Haderslev

Oluf Lassen nimmt Sticheleien sehr persönlich. Vor allem, wenn sein Freund Lars Petersen ihn hänselt und Oluf „Schuhflicker“ nennt – ein herablassendes Wort für einen Schuhmacher. Oluf nennt Lars im Gegenzug „Läuseknacker“ – eine herablassende Bezeichnung für einen lumpigen, verkommenen Mann. Oluf und Lars gehen oft gemeinsam trinken. So auch an dem schicksalsträchtigen Abend des 14. März 1825. Sie sind zu Besuch in Jens Nielsens Gastwirtschaft im Store Klingbjerg 6. Hier streiten sie sich wieder, und Lars beginnt, Oluf zu hänseln. Oluf geht auf Lars los, aber andere Gäste mischen sich ein und verprügeln stattdessen Oluf. Der Besitzer der Gastwirtschaft, Jens Nielsen, trennt sie voneinander und wirft Oluf hinaus. Oluf geht nach Hause, kommt aber kurze Zeit später wieder gemeinsam mit dem Lehrling aus dem väterlichen Schuhmacherbetrieb zurück. Beide haben große Messer dabei.

Vor der Treppe zur Gastwirtschaft treffen sie auf Lars und den Fechtmeister Carstensen. Carsten zückt sein Florett und verletzt den Lehrling. Das bringt Oluf so sehr in Aufruhr, dass er sein Messer in Lars‘ Brust rammt und seine linke Lunge durchbohrt. Die anderen hören Lars laut fluchen: „Jetzt habe ich genug!“ Aber sie wissen nicht, dass er tödlich verletzt ist.

Der Mord

Jetzt ist die Menschenansammlung zur Ruhe gekommen. Es ist 23 Uhr, und es ist dunkel. Plötzlich betritt Maurermeister Bruhn die Gaststube und sagt, dass Lars in den Rinnstein gefallen sei*. Es wird nach einer Leuchte gesucht, und zu ihrer Überraschung sehen sie, wie Lars in einer Blutlache liegt. Es werden die Polizei und ein Arzt herbeigerufen, aber Lars wird für tot erklärt.

Oluf ist mittlerweile nach Hause gelaufen. Seine Schwester Dorthea und der andere Lehrling sind Oluf gefolgt und haben alles gesehen. Zuhause ist Oluf in das Schlafzimmer der Eltern gegangen und zeigt ihnen seine blutige Hand sowie das Messer, das er in die Wand rammt, so dass die Spitze abbricht. Oluf sagt: „Jetzt ist es wohl aus mit mir.“

Später in derselben Nacht nimmt die Polizei Oluf fest, und er wird in den Arrest in der Lavgade abgeführt.

Das Urteil

Während Oluf im Gefängnis sitzt, wird er vom Pastor und und vom Priester besucht. Sie versuchen beharrlich, Oluf dazu zu bringen, seine Tat zu bereuen. Oluf hat den Mord gestanden, bereuen will er ihn aber nicht. Er versucht einige Male, mit Glas und scharfkantigen Steinen Selbstmord zu begehen. Olufs Urteil wird am 24. Januar 1826 gesprochen. Er soll am 28. Februar 1826 – knapp ein Jahr nach dem Mord – hingerichtet werden. Oluf soll „mit der Axt … vom Leben in den Tod gebracht werden.“ Er muss jedoch nicht zum Rädern aufs Rad, d. h., ihm werden nicht seine Knochen gebrochen.

Als Oluf sein Urteil hört, bittet er selbst darum, mit einem Geistlichen zu reden, und durch diese Gespräche bereut Oluf die Tat und kommt auf den rechten „christlichen Weg“.

Haderslevs letzte Hinrichtung

Auf einem Feld außerhalb der Stadt wird eine Richtstätte eingerichtet. Das Datum der Hinrichtung war überall verkündet und geschrieben worden, um eine abschreckende Wirkung zu erzeugen, und um zu verhindern, dass sich eine solche Tat wiederholt. Die gewöhnliche Prozedur war, dass der zum Tode verurteilte im Wagen zur Richtstätte gelangt. Auf dem Wagen befanden sich neben Oluf die Geistlichen, die mit Oluf in Kontakt gestanden hatten. Eine Hinrichtung war ein Publikumsmagnet, und auch bei Olufs Hinrichtung war eine große Menschenmenge anwesend. Olufs Eltern waren jedoch nicht unter ihnen. Sie hatten an dem Tag die Stadt verlassen.

Der Scharfrichter und seine Helfer waren aus Tønder geholt worden. Auf dem Feld waren ein Schafott und ein Sarg aufgestellt und ein Grab ausgehoben worden. Oluf durfte ein Gebet aufsagen, er legte seinen Kopf auf den Block, nachdem er gefesselt worden war, und der Scharfrichter tat seine Pflicht. Hiernach hob der Scharfrichter Olufs abgehackten Kopf an den Haaren in die Höhe und zeigte ihn den Zuschauern. Danach nahm der Scharfrichter seine weißen Handschuhe ab und warf sie auf den Boden. Es war ein Symbol dafür, dass er an dem Mord, den er soeben ausgeführt hatte, nicht schuldig war.

Oluf Lassen war die letzte Person in Haderslev, die hingerichtet wurde. Auf dem Feld, wo die Hinrichtung stattfand, wurde ein Gedenkstein platziert. Er erhielt die Bezeichnung „Ole-Stein“. Das Feld ist heute komplett bebaut, der Gedenkstein befindet sich aber noch immer in einem Garten auf einem Privatgrundstück westlich vom Christiansfeldvej und südlich vom Marie Margrethesvej (im Clausensvej).

 

*Früher war es normal, Bier anstatt Wasser zu trinken, da das Wasser in der Stadt verschmutzt war. Der Alkoholgehalt des Biers war damals jedoch geringer als heute. Branntwein war jedoch ein starkes Getränk.

*Kann auf Dänisch bedeuten: im Rausch auf der Straße umfallen und einzuschlafen o. ä.

Im Laufe der Jahre kursierten verschiedene Versionen dazu, inwiefern Oluf Opfer von Sticheleien war oder ob er selbst einen Teil der Schuld dafür trug, dass sich sein Leben so entwickelt hatte. Darüber hinaus wird erzählt, dass sich der Staatsanwalt bei der Verhandlung darauf berufen hatte, dass Olufs Mutter einen Teil der Schuld trüge, da sie ihm gegenüber während seiner Kindheit und Jugend zu nachgiebig gewesen sei. Während Oluf im Gefängnis saß, berichtete er einem der Priester, dass er nicht zum Mörder geworden wäre, wenn seine Mutter ihn nicht immer in Schutz genommen hätte und ihn anders behandelt hätte, wenn er etwas Schlimmes getan hat.

* Wenn man im Kirchenbuch (Hauptministerialbuch 1788FD-1803FD) der Mariengemeinde nachschlägt, ist dort zu lesen, dass Oluf Lassen ursprünglich auf den Namen Ohle Lassen getauft war. Warum er im Volksmund Oluf genannt wurde, ist ungewiss. Man kann aber vermuten, dass, da der Nachname seiner Mutter Anneken ursprünglich Oluf war, dieser sich als sein Rufname eingebürgert hat. Eine andere Möglichkeit ist, dass Ohle damals so ausgesprochen wurde, dass es wie Oluf klang. Und als er später in Artikeln, Berichten usw. niedergeschrieben wurde, hatte die Aussprache von Ohle Oluf entsprochen.

Aber dass Oluf auch Ohle gerufen wurde, kann man an seinem Gedenkstein ablesen, der auch heute nach den Namen „Ole-Stein“ trägt. Und dann wurde er Oluf auch „Schwarzer Ole“ gerufen.

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